Sabrina Bauer und Sebastian Waßmann organisieren für den MLLV einen innovativen Fachtag im Staatsinstitut München Pasing
München | Wer am 6. Oktober 2018 in das wunderbare alte Haus in Pasing zur Fachtagung der Fachlehrer und Lehrerinnen kam, wurde so angenehm wie harmonisch empfangen. Jean–Baptiste Delattre und Reza Pezeshki zupften auf ihren Gitarren entspannte Bossa Nova-Klänge, genauso verspielt wie die farbenfrohen Handwerkstücke, die schon im Eingang neben Kaffee und Kuchen ausgestellt waren.
BEGREIFBAR PLUS war diesmal das Motto. Wie können Lehrerinnen und Lehrer auf den rasanten digitalen Wandel reagieren? Dazu hatten die beiden Fachgruppenleiter für Fachlehrkräfte des MLLV, Sabrina Bauer und Sebastian Waßmann, eine Fortbildung mit zahlreichen Workshops organisiert. Manfreds Krigers, der Leiter des Staatsinstituts für die Ausbildung von Fachlehrkräften in Pasing, hieß alle Gäste herzlich willkommen und freute sich über die Wertschätzung durch den Besuch der Ehrengäste.
Als kritischen, satirischen Einstieg zeigten Sabrina Bauer und Sebastian Waßmann ein Video der Schülerinnen und Schüler der MS Knappertsbuschstraße. Die 7. Klasse spielte in einer Parodie, wie inhaltsarm der Fachunterricht in der Zukunft aussehen wird, wenn weiterhin an der Ausbildung der Fachlehrer gespart wird und die Fächer von fachfremden Lehrern übernommen werden. Wenn schließlich alle Lehrer eingespart sind, weil der Unterricht von Google und Amazon übernommen wird, müssen wir kein Geld mehr für Bildungshäuser ausgeben, das halbherzig renovierte Stückwerk reicht dann aus.
Dabei wäre alles so einfach. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer sprühen vor lauter tollen Ideen, um digitale Medien in ihren Unterricht einzubeziehen. Eine Auswahl davon zeigten sie in den vielfältigen Workshops. Insgesamt konnten knapp 20 Workshops aus allen Fachlehrerfächern angeboten werden. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit in jeweils zwei unterschiedlichen 90-Minuten-Workshops zu arbeiten. Dabei konnten Tipps von den erfahrenen Referenten eingeholt werden. Vom 3D-Drucker und iPad-Workshop wechselten die Teilnehmer zum nächsten Workshop mit Nähmaschinen oder Acrylfarben.
Die Vorsitzende des MLLV, Waltraud Lučić, benannte die Herausforderungen der Fachlehrkräfte in München noch einmal ganz konkret. Es wird immer mehr Flexibilität und Ideenreichtum beim Einsatz abverlangt. Um die notwendige Gruppenbildung ab der 3. und 4. Jahrgangsstufe zu gewähren, müssen die 1. und 2. Klassen im Fach Werken und Gestalten häufig im Klassenverbund und von der Klassenlehrerin unterrichtet werden. Lucic fordert, dass Fachlehrkräfte dort ausgebildet werden, wo sie gebraucht werden. Gerade weil die Anwärterbezüge für ein Leben und Wohnen in der Großstadt kaum ausreichen, müssen umsetzbare Lösungen gefunden werden. Ein zusätzliches Beförderungsamt in A 12 steht dringend an. Die Fachlehrkräfte müssen besser bezahlt werden. Fachlehrkräfte brauchen eine gleichwertige Ausbildung wie Grund- und Mittelschullehrkräfte. Diese sollte in die Staatsinstitute integriert werden um deren Kompetenzen nicht zu verlieren, sondern auszubauen. Waltraud Lučić forderte Politik und Verwaltung auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und die Fächer, in denen die Kinder mit den Megathemen der Zeit konfrontiert werden, höher zu bewerten. Neugierig machen, kreativ die Aufgaben angehen und die Herausforderungen vielfältig, auf neuen Wegen annehmen und lösen, diese zukunftsorientierten Werkzeuge entwickeln die Kinder z. B. in den Fächern „Werken und Gestalten“, „Ernährung und Soziales“, „Technik“, „Wirtschaft und Kommunikation“, „Kunst“ und allen musischen Arbeitsgemeinschaften. Deshalb ist nach ihrer Auffassung die Aufwertung der praktisch, kreativen, musischen und technischen Fächer unbedingt notwendig.
Der Amtschef im Kultusministerium, Ministerialdirektor Herbert Püls, lobte die Initiative der Fachtagung des MLLV, zeigte Verständnis für die Forderungen der Fachgruppe, aber äußerte sich skeptisch: „Ich kann nicht sagen, dass wir 2020 alles geschafft haben werden.“
Nach Lob und Kritik kam Christoph Fritz auf die Bühne und verscheuchte die Unruhe im Publikum mit seiner Energie und Zuversicht. Mit ihm haben Sabrina Bauer und Sebastian Waßmann den jungen Geschäftsführer der „Freunde der guten Idee“ & Silwy als Gastredner engagiert. Christoph Fritz ist German Innovation Award Preisträger sowie Gründerpreisträger in Niederbayern. Er stellte seine magnetischen Trinkgläser vor. Lustige Weißbiergläser kleben wie Sonnenstrahlen an einem kugeligen Grilldeckel und elegante Gläser samt prickelndem Getränk überstehen die wilde Fahrt mit einer Yacht und verbreiten ein cooles Lebensgefühl. – Was hat das mit Schule zu tun? Christoph Fritz sieht den Lehrerjob nicht weit entfernt vom Unternehmertum: „Man kann einen Plan machen, dann wird man mit der Wirklichkeit konfrontiert,“ meint er und erzählt von seinen Improvisationsversuchen, als er vertuschen musste, dass seine Gläser nicht zu einer Werbe-Veranstaltung nach Miami geschickt wurden. Er sagt: „Unternehmer wie Lehrerinnen müssen Menschen begeistern, mitreißen können und für eine Sache brennen. Unsere Arbeitswelt ändert sich so stark wie noch nie, aber Roboter und Maschinen sind ohne Menschen nicht funktionstüchtig. Technische Berufe sind wieder enorm wichtig, das muss den Schülern bewusst werden, damit sie das lernen wollen. Schülerinnen müssen den Sinn verstehen, warum sie unterrichtet werden. Der Teamgedanke zwischen Schüler – Lehrer, Mitarbeiter – Chef muss ganz weit oben stehen. Und um bestens motivierte Auszubildende zu haben, müssen sie gut bezahlt werden.“
Man kann sich fragen, ob man magnetische Gläser braucht. Sicher ist, dass wir kreative Denker und Macher wie Christoph Fritz ganz dringend brauchen. Jedoch können wir Lehrerinnen und Lehrer noch so innovativ denken und arbeiten, solange in der Bildung nicht von der obersten Planung und Finanzierung her innovativ gedacht wird, ist die Idee, die Schüler und Schülerinnen auf die neue Berufswelt vorzubereiten, zum Scheitern verurteilt. Kleckern oder klotzen? Die Tendenz, alte überholte Industrie vor dem Untergang zu bewahren, kostet enorm viel Geld. Bildung ist ein größeres Unternehmen als die Autoindustrie oder der Bankensektor und sollte der Gesellschaft mehr wert sein. Wenn die Lehrer aus althergebrachten Argumenten immer noch ungleich bezahlt werden, schadet das der Bildung, weil zu viel Kraft in die Konkurrenz untereinander geht, anstatt in die Weiterentwicklung des Unterrichts für unsere Kinder. Die Kinder sind das wertvollste, was wir für die Zukunft haben. Deswegen lasst uns die Vision der besten Bildung für unsere Schüler umsetzen und ein prächtiges Bildungshaus bauen, koste es, was es wolle!
Pressereferentin Ursel Schneidewind